Buchvorstellung
Der Fall Griechenland
Fünf Jahre Krise und Krisenkonkurrenz: Europa rettet sein Geld, Deutschland seinen Euroimperialismus
An der ideellen Suche nach Lösungsvorschlägen, an den kritischen Bedenken hinsichtlich der ‚Erfolgsaussichten‘ der erreichten Übereinkünfte sowie an den Klagen über die fehlende Verantwortung der Verantwortlichen beteiligt sich die Veranstaltung nicht. Sie stellt einige Argumente gegen das innereuropäische Ringen zur Diskussion, das nicht nur den Griechen Probleme macht. Und erklärt, warum im Europa des 21. Jahrhunderts mit moralischer Betroffenheit oder ein paar konstruktiven Vorschlägen keinesfalls etwas daran zu ändern ist – und deswegen unbedingt zu ändern wäre.
Die machtvollen Lektionen in Sachen Geld oder Souveränität in der EU, welche die deutsche Regierung im „Fall Griechenland“ der renitenten Regierung von Tsipras und Varoufakis erteilt hat, haben einige kritische Stimmen empört. Andere haben sich mit alternativen Rezepten zu Wort gemeldet, wie man die Griechenland-Affäre auch etwas volksfreundlicher bewältigen könnte. Taugen tut beides nichts.
Was die Empörung über das Elend anbelangt, ist bemerkenswert: Kein Wort fällt über die politischen Gründe, kein Satz über die Zwecke, die Deutschland damit verfolgt. Für die Antwort, dass die deutsche Regierung etwas Ungehöriges getan hat, braucht man in der Tat nicht mehr, als seine ganz eigene Vorstellung davon, was sich da zwischen den Staaten gehört und welche Idee das „Projekt Europa“ eigentlich verfolgt; vom Treiben des maßgeblichen Subjekts in der ganzen Sache muss man dann keine Ahnung haben, um Europa mit der guten Meinung über dieses Projekt zu vermessen. So sieht die Kritik dann auch aus: Sie ergeht sich in einer einzigen Klage über die engstirnige oder ungerechte deutsche Regierung, die so „unseren guten Ruf in Europa“ kaputtmacht. Für diesen Stoßseufzer nach humanerer Europolitik inszeniert man täglich die Opfer, für die man ideell Partei ergreift, um Merkel und Co. zu blamieren. Das nützt zwar praktisch niemandem, aber moralisch darf man sich ungeheuer im Recht fühlen.
Und dass solche Stimmen dann aufleben, wenn die eigene nationale Führung ein Problem hat – und sie in sich zusammenfallen, wenn Merkel und Co. es praktisch im Griff haben, passt zum Prinzip dieser Aufregung. Genau wie die zahllosen gut gemeinten, diskutierten oder verworfenen Rezepte, die nichts als Alternativen der Macht sind: ein paar nachgelassene Schulden für den griechischen Staat hier, etwas mehr frischen Euro-Kredit für griechisches Wachstum dort – das sind so die regierungskritischen Vorschläge für eine bessere Welt mit Euro, EU und Merkel, die allesamt auf die Rettung deutscher Geld– und Führungsmacht berechnet sind – inklusive einem humanitären Gestus, dass damit sogar noch ein wenig soziale Elendsbetreuung in Griechenland drin wäre.