Betreuter Bürgerkrieg gegen Syrien, Kriegsdrohung gegen Iran
Wie die USA in Nahost ihre Führung und ihren Weltfrieden voranbringen
In Syrien kämpfen Regierung und Oppositionelle um das Gewaltmonopol im Staate; Bürgerkrieg heißt das auch. Hiesige Politik und Öffentlichkeit stellen gleich klar, dass „wir“ da Partei ergreifen müssen; und auch gleich für und gegen wen: Die Aufständischen sind die Guten, weil „zivile Opfer“ von Assad, seiner Regierung und seinem Militär; letztere sind die folglich die Bösen. Im Namen der „Opfer“ Partei zu ergreifen gegen Syriens Regierung ist hierzulande seither üblich – aber unredlich. Denn wenn sich die Parteien im syrischen Bürgerkrieg an etwas nicht unterscheiden lassen, dann daran, dass sie Opfer produzieren. Das tun sie alle. Allenfalls unterscheiden sie sich dabei an der Durchschlagskraft ihrer Waffen – bislang jedenfalls. Aber vielleicht ist es ja so, dass es vielen Freunden syrischer Witwen und Waisen auf gar nicht anderes ankommt, als für eine Wende im militärischen Kräfteverhältnis in Syrien zu sorgen? Dass sie das Feindbild von Assad und seiner Herrschaft deswegen pflegen, weil sie beschlossen haben, von außen in den innersyrischen Machtkampf einzugreifen, und zwar an entscheidender Stelle?
Neben der Gruselmeldung des Tages informieren die Medien ganz ungeniert, welche großen und kleinéren auswärtigen Mächte am syrischen Bürgerkrieg welche Interessen haben und verfolgen und längst auch am Kampf beteiligt sind: Die USA und Israel wollen das Ende von „Assads Syrien“, das sich ihnen in der für die berufenen Weltaufseher so wichtigen Weltgegend Naher Osten entgegenstellt; das mit dem Iran bündelt und auch in Libanon und Gaza vom Westen angefeindete Bündnispartner hat. Saudi-Arabien und die Golf-Emirate bauen sich mit Propaganda und Waffen für Assads Gegner als arabische Gegenmacht gegen Iran auf. Russland hat ein weltpolitisches Interesse am Stützpunkt Syrien und insofern am traditionellen Waffenbruder Assad… So wird der westliche Zeitungsleser herangeführt an die machtpolitischen und militärischen Strategien, für die der Bürgerkrieg gut oder schädlich ist; inzwischen macht das Stichwort vom „Stellvertreterkrieg“ die Runde, der in Syrien ausgefochten wird. Allerdings soll der hiesige Betrachter dieser Szenérie seine Urteilsbildung nicht etwa in dem Sinne weiterführen, sich einmal Rechenschaft abzulegen über die weltherrschaftliche Qualität jener Interessen, die sich anmaßen, über innere und äußere Gewaltaffären in jedweder Weltgegend das letzte Wort zu behalten. Vielmehr soll das interessierte Publikum, mit solidem Feindbild ausgestattet, denken: Es gehe um „Schutz der Zivilbevölkerung“ — und, was offenbar dasselbe sein soll, es sei das höchste „Recht“ der USA und ihrer Bündnispartner, das syrische Gemetzel und alle beteiligten auswärtigen Parteien unter ihre Oberhoheit zu nehmen und in ihrem Sinn gegen Assad zu Ende zu bringen; es sei – das ist das Spiegelbild der hohen Meinung von den USA — eine „Schande“, wenn Staaten wie Russland und China den Bürgerkrieg auf andere Art zu Ende bringen wollen und auch das UNO-Recht anders auslegen.
Syriens Nachbar und Bündnispartner Iran betreibt ein umfassendes Atomprogramm und macht daraus kein Geheimnis. Im Gegenteil, Iran beansprucht lauthals sein internationales Recht darauf aus seiner Mitgliedschaft im Atomwaffensperrvertrag. Die USA, ihr Waffenbruder Israel und die NATO-Partner brandmarken das als „Griff zur Bombe“, mit dem sich Iran zur „Bedrohung für den Frieden in der Staatenwelt“mache; in der schieren Möglichkeit einer Nuklearbewaffnung des Iran sehen sie jede Menge „roter Linien überschritten“. Das verlangt im Denken bei den westlichen Bürgern ein klares Feindbild: Während beim Iran die atomtechnologische Fähigkeit zum Bombenbau den unerträglichen Kriegswillen beweisen soll, stehen den USA und ihren Partnern, die Atomtechnik und Atomwaffen haben und letztere in heißen und kalten Kriegen einsetzen, diese Macht und ihr Einsatz ganz fraglos zu.
Die Macht, die aus einem Atomprogramm überhaupt und aus Atomwaffen im Besonderen für Staaten erwächst, und ihr Einsatz wird dem Zeitgenossen durchaus erläutert. Dass Atomtechnologie die Nation in ihrer Energiebasis unerpressbarer macht gegenüber „dem Ausland“; dass die Beherrschung des Urananreicherns für Reaktoren an die Schwelle der Befähigung zum Bombenbau heranführt; dass die Atomwaffe eine für mögliche Gegner unberechenbare Vernichtungsdrohung und daher „Existenzgarantie der Nation“ bei ihren feindseligen Auseinandersetzungen mit anderen Staaten ist: Davor soll sich der westliche Bürger beim Iran ja so fürchten – und dasselbe bei den USA, Israel und den NATOStaaten begrüßen.
Die USA legen sich weltöffentlich darauf fest, mit ihrer Macht „Iran daran zu hindern, in den Besitz von Kernwaffen zu gelangen“ (Obama). Sie sind längst zur Tat geschritten: Ein nach US-Ermessen möglichst weltweites Boykottregime, die ökonomische Strangulierung Irans, Ausspähung und Gefechtsvorbereitung mit Drohnen, Cyberkrieg, Liquidation von Atomfunktionären und Sprengungen von Militäranlagen im Iran, flankiert von einem kriegstüchtigen US-Militäraufmarsch: Mit all diesen Maßnahmen legen seine Gegner dem Iran die Frage vor: Sich-Beugen oder Krieg. Woran dem westlichen Zeitgenossen nach Rat seiner besorgten „Sicherheitsexperten“ wieder nur eins durch den Kopf gehen soll: Man stelle sich vor, die Mullahs hätten schon die Bombe – das Dasein wäre unerträglich…
Diesen Feindbildern sollte man nicht auf den Leim gehen. Dagegen soll im Vortrag zur Sprache kommen, was am Doppelfall Syrien & Iran durchgefochten wird und die Feindschaften stiftet:
- Was ist für die USA im Nahen Osten an Syrien so unerträglich, dass es durch die Ruinierung der Herrschaft Assads bereinigt werden soll?
- Wie nehmen die USA ihren Führungsanspruch im Fall Syrien wahr? In welche Rolle versetzen sie damit Syriens Nachbarstaaten, ihre Nato-Partner inklusive Deutschland, Mächte wie Russland und China sowie die UNO samt ihrem Friedensplan?
- Worum geht es, wenn die USA nicht nur gegen Iran, sondern an Iran exemplarisch ein neues weltweites Régime der Nichtverbreitung von Atomwaffen durchfechten wollen, nach dem nur der Staat ein Recht auf „zivile Nutzung der Atomenergie“ hat, der den Verdacht des „militärischen Missbrauchs“ beweis– und tatkräftig widerlegen kann?
- Was ist das für ein Ansinnen der USA, andere Atommächte hätten – wenn sie sich „verantwortungsbewusst“ benehmen — die USA bei diesem Regime zu unterstützen?