Einwände gegen die Politik des Blockupy-Bündnisses
Widerstand gegen Verarmung – für einen sozialeren und demokratischeren Kapitalismus?
Europa spart – am Lebensunterhalt seiner Bürger. Die demokratischen europäischen Regierungen machen das Leben ihrer Völker dafür haftbar, dass ihre Wirtschaft zu wenig wächst und die Kreditwürdigkeit ihrer Nation dahin ist. Deswegen haben die verantwortlichen Staatsführer ihren Bürgern ein gewaltiges soziales Abbruchprogramm verordnet.
Betroffene melden sich zu Wort und protestieren. Dass sie das tun, ist überfällig. Nur wie?
„Widerstand tut not: Die Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfond nutzt überall in Europa die Staatsschulden als Hebel, um radikale Kürzungen zu verordnen. Diese sind undemokratisch und unsozial.“ (Pressemitteilung Blockupy-Bündnis Frankfurt)
Der Entschlossenheit, mit der alle Regierungen in Europa ihre Staatshaushalte von allen „unproduktiven“ Kosten entlasten, also am Lebensunterhalt ihrer Völker sparen, lässt sich entnehmen, was die aktuellen Staatsnotwendigkeiten sind. Für diese Regierungen sind Spardiktate zur drastischen Verarmung ihrer Bevölkerung „alternativlos“. Das sollten die Protestierer einmal ernst nehmen. Für die Standortverwalter geht es ums Ganze: Die Rettung des Euro, die Sanierung des Staatshaushalts und die Gesundung der Marktwirtschaft, die den Insassen der Kapitalstandorte Europas als unabweisliches Lebensmittel vorgesetzt wird – das ist marktwirtschaftliche Staatsräson, und die ist nur durch eine durchgreifende Verschlechterung der Lebenslage der Bevölkerung zu haben. Und zwar nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft. Das beweisen die Kürzungsorgien bei Renten, Gesundheit und überhaupt allen Bereichen, die den Lebensstandard der Leute ausmachen.
Blockupy-Anhänger meinen, all dies müsste gar nicht sein, wenn es in Europa wirklich demokratisch und sozial zuginge. Woher nehmen sie bloß ihre Gewissheit, dass hierzulande ein Rechtsanspruch gegen Verarmung existiert? Von den real existierenden europäischen Demokratien können sie das unmöglich herhaben.
Der Einwand von Blockupy gegen die von der Troika verordneten „radikalen Kürzungen“ lautet: „Sie verschärfen die Krise.“ (Pressemitteilung) Sie seien „ökonomisch unsinnig“ und würden „die Konjunktur abwürgen“;besser solle man „in Schuldenaudits die Rechtmäßigkeit der öffentlichen Schulden bewerten“ (Attac).
Soll man den Finanz– und Wirtschaftspolitikern wirklich schlechtes Management der Krise vorwerfen? Was wäre denn eines, das den Massen gut bekommt? Soll man sich im Ernst in die Logik der Verwalter von Kapitalstandorten hineindenken und mit den Staatsschuldenmanagern darum rechten, wie Staatshaushalte rechtlich einwandfrei zu sanieren und das Wachstum des Geldreichtums von Kapitalisten anzukurbeln wären? Wie Löhne so festzusetzen wären, dass sie den Geschäftemachern nicht bloß als stets zu senkender Kostenfaktor, sondern auch noch zur Versilberung ihrer Produkte dienen könnten? Soll man sich also den kapitalistischen Laden mit seinen unversöhnlichen Interessen — auf die spielen die Widerstandsparolen von Blockupy ja jedenfalls noch an! — als ein Gemeinschaftswerk von Krisenbewältigern einbilden und sich sein gutes Gelingen zum Anliegen machen?
Laut Blockupy-Bündnis steht „Demokratisierung“ vor allem der „Macht der Banken“ an: Die EZB ist „undemokratisch, weil ‚unabhängig‘, damit nicht demokratisch kontrolliert. Was wollen wir? Demokratisierung und Vergesellschaftung des Finanzsektors »Überwindung kapitalistischer Verhältnisse!“ (Blockupy-Präsentation). Und was folgt daraus? Wahl des EZB-Leitzinses durch das Volk? Oder wenigstens Wahl der Finanzfachleute, die den EZB-Leitzins festlegen, durch eine Europa-weite Asamblea? Wie hoch wäre denn bitteschön ein Zinssatz, der dem Wohlergehen des Volkes und den Geschäftsbedürfnissen verschiedener Kapitalisten-Abteilungen gleichermaßen dienlich ist? Für Leute aus dem Blockupy-Bündnis ist es anscheinend kinderleicht, sich das Verleihen und Ausleihen von Geld gegen Zins, also den Gegensatz von Gläubigern und Schuldnern, als ein wirtschaftliches Gemeinschaftswerk vorzustellen. Jedenfalls dann, wenn ein paar Eingriffe von oben vorgenommen würden:
„Die Profiteure der Krise müssen endlich angemessen an ihren Kosten beteiligt werden. Die staatlichen Einnahmen müssen erhöht und Reichtum muss massiv umverteilt werden. Dazu brauchen wir eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen und Vermögen sowie eine Finanztransaktionssteuer, deren Erträge für Armutsbekämpfung, Klimaschutz oder globale soziale Mindeststandards eingesetzt werden.“ (Attac)
Offenbar ist im Blockupy-Spektrum die soziale Phantasie entschieden unterentwickelt. Denn unter der Parole „Überwindung kapitalistscher Verhältnisse!“ marschieren sämtliche Instanzen und Charaktermasken wieder auf, die schon in den schlechten alten Verhältnissen das Sagen haben und die all die aufgezählten Übel von A wie Armut bis Z wie Zerstörung der Natur verursachen. Vermögende z.B., denen Blockupy Vermögenssteuern verpassen will; oder die „Profiteure der Krise“, die es ja auch weiterhin geben muss, wenn sie „an ihren Kosten beteiligt werden“ sollen. Und auch die Armut und die globalen Sozialfälle halten diese Kapitalismuskritiker für eine bleibende Einrichtung, wenn sie per Besteuerung der Spekulanten (ja, auch die sollen ihren Beruf behalten) Mittel zur „Armutsbekämpfung und globale soziale Mindeststandards“ locker machen wollen. Für die Staatsgewalt hat das Kritikerbündnis auch eine –natürlich alternative– Verwendung: Die soll das „Raubtier“ im Kapitalismus, das sie statt des Kapitalismus für Krise und Volksverarmung verantwortlich macht, an die Kette legen. Und spätestens mit den Kontrolletis von Blockupy im eingebildeten Aufsichtsrat der Staaten über den globalen Kapitalismus wäre dann aus den national sortierten konkurrierenden Kapitalstandorten eine schöne Gemeinschaftsveranstaltung geworden, die statt der schlimmen lauter gute Werke tut.